Baptistes Banner

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Baptistes Banner

Als Barbarenhorden in das stolze Reich Farakis einfallen, zieht König Phillippe Leandaros mit seinen Soldaten in einen aussichtslosen Kampf gegen die feindliche Übermacht. Bevor er sich selbst in die Schlacht stürzt, um seinen Feinden die Stirn zu bieten, erteilt der König seinem Knappen Jerome den Auftrag, die junge Königin und ihren Sohn Baptiste zur Wüstenstadt Er’Scherim zu eskortieren, wo sie den Scheich um Hilfe ersuchen sollen. Den Dreien gelingt es, durch die Wüste ins Exil zu gehen, doch werden sie von den Wüstenkriegern nicht zum Scheich durchgelassen. Ausgehungert und mittellos bieten sie einem Pferdeherren ihre Dienste an. Auf dem Pferdhof wächst der junge Baptiste zu einem tollkühnen Reiter heran, der fortan nur noch Steppenwolf genannt wird. Als Baptiste schließlich von seiner Herkunft erfährt, gelingt es ihm, den Scheich von einem Bündnis der beiden Reiche gegen die Barbaren zu überzeugen. Beim Sturm gegen die Stadt Halverstein werden die Bewohner angesichts des roten Banners der Rückkehr des letzten Leandaros gewahr und wenden sich gegen ihre Besatzer, die Barbaren. Nachdem die Stadt eingenommen wurde, ziehen die Soldaten von Farakis und die Reiter des Wüstenvolkes Seite an Seite in die alles entscheidende Schlacht...

Hauptgeschichte

Phillippe schwebte in einem Meer aus wundersamen Farben, die in den schönsten Tönen strahlten. Mattes Grün und dunkles erhabenes Blau wurden von warmen Gelb- und Rottönen überdeckt. Als wären alle Farben aus Pastell, schienen ihre Formen, die sie am Himmel zeichneten, beständig im Fluss zu sein und sich in ihrer Verspieltheit nicht ihrer Vergänglichkeit bewusst zu sein. Die blutrote Quelle, von der alle Wärme und alles Leben auszugehen schien, senkte sich schon weit am Horizont, als Phillippe eine Stimme von weit her erreichte.

„Euer Gnaden!“

Phillippe ließ sich weiter dahin treiben. Die Stimme war nur ein Schatten, nur eine Wolke, die an ihm vorüber zog.

„Euer Gnaden! Bitte hört mich an!“

Phillippe spürte einen Sog, der ihn rüttelte und ihn zu Boden ziehen wollte. Er wehrte sich doch

„Euer Gnaden!“

Phillippe schreckte auf. Er spürte, wie das Pferd, auf dem er saß, unruhig tänzelte und ein heftiges Schnauben von sich gab. Der Boden unter ihm bebte, als eine nicht enden wollende Wand aus schwer gepanzerten Reitern an ihm vorbei ritt. Unter all dem Lärm meinte er, von weit her noch etwas anderes hören: Schreie, Hilferufe. Verwirrt blickte er sich um.

Hinter ihm standen einige Reiter, die prächtige Bordeauxrote Gewänder trugen, unter denen schwere Kettenpanzer durchschimmerten. Ihre Helme waren reich verziert und an ihren Lanzen wehten die Farben des Hauses der Leandaros. Er erkannte unter ihnen seinen Knappen Jerome und General Bertrand, der wie immer mit unbewegter Miene ein weit entferntes Ziel zu fixieren schien. Dann sah Phillippe den jungen Ritter, der neben seinem Pferd stand und zu ihm hoch blickte. Der in einem knöchellangen Kettenhemd gewandte Ritter bot mit seinen verdreckten Stiefeln, seinem verklebten Haar und seinem blutgetränkten Schwert einen schroffen Gegensatz zu Phillippes Begleitern. Zu seiner Beruhigung bemerkte Phillippe, dass der Ritter auf seinem Rock das Wappen der Leandaros trug: drei goldene Lilien auf rotem Grund. Die Lilien standen für die drei großen Städte des Reiches Farakis, über die das Haus der Leandaros seit Jahrhunderten herrschte: Schierenstein, Phillipsburg und Halverstein.

Als der Ritter merkte, dass er die Aufmerksamkeit Phillippes erlangt hatte, sprach er ihn erneut an: „Mein König, unsere linke Flanke wurde aufgerieben. Das Dritte Regiment bittet dringend um Nachschub, um den linken Flügel halten zu können.“ Phillippe Leandaros wandte sich zu Bertrand um: „Entsendet unsere Reserve an die linke Flanke.“ General Bertrand räusperte sich kurz, dann sprach er mit unbewegter Miene: „Euer Gnaden, ich bin untröstlich, aber ich fürchte unsere Reserven sind bereits an den vorderen Linien. Osterleutnant Fernando ist soeben mit der verbliebenen Schweren Kavallerie vorgerückt, um einige Reiterhorden, die sich uns vom Westen her nähern, abzuwehren.“ Irritiert blickte Phillippe nach hinten, aber er sah nur noch die Standarte seiner persönlichen Leibgarde, einer Zenturie schwer gepanzerter Reiter, die ihm geblieben war. Dann sah er vom Hügel, auf dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, herunter in das Tal, in dem die heutige Entscheidungsschlacht stattfand. Er brauchte nicht lange, um zu sehen, was er bereits in den Gesichtern seiner Generäle erkannt hatte: Die Schlacht war verloren.

Phillippe stützte sich auf den Knauf seines Sattels. Wie konnte das passieren? Seine Vorväter hatten bereits über dieses Land regiert, als nur ein paar Schafhirten und Bauern in baufälligen Hütten gewohnt hatten. Über Generationen hatte das Haus der Leandaros die Städte und Dörfer des Reiches zu dem Ruhm und Reichtum geführt, den sich ein Volk nur wünschen konnte. Und nun wurde alles zerstört von einfallenden Barbarenhorden, die die einstmals schönen Täler und Wälder mit Blut tränkten. Dem Blut von Männern, Frauen und Kindern. Seinem Volk. Einen tiefen Seufzer ausstoßend blickte Phillippe noch einmal zum fernen Horizont, an dem sich gerade die Sonne mit einem letzten roten Strahl verabschiedete. Es war der schönste Sonnenuntergang seines Lebens gewesen. Dann zog er seinen Helm auf.

„General Bertrand!“

„Ja, Euer Gnaden?“, antwortete der Angesprochene.

„Kehrt zurück zur Phillipsburg. Mylady und Prinz Baptiste müssen umgehend sicher nach Halverstein geleitet werden. Von dort aus werdet Ihr Euch nach Er`Scherim begeben. Vielleicht werdet Ihr am Hofe Scheich Ahamadas Gehör finden.“

Bertrand rutschte unruhig auf seinem Sattel hin und her. Es passierte nicht oft, dass der alte General seine Sprache verlor, doch dieses Mal schien er nicht die richtigen Worte zu finden.

„Euer Gnaden, mit Verlaub“, begann er, „ich werde tun wie Ihr geheißen, doch bitte ich Euch, mit uns zu reiten.“ Phillippe antwortete ungerührt: „Ich werde dieses Schlachtfeld nicht verlassen. Ich werde das Schicksal meines Volkes teilen.“ „Dann erweist mir die Gnade, mit Euch in den Kampf zu ziehen, Euer Gnaden“, erwiderte General Bertrand.

Phillippe überlegte kurz, dann nickte er. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rief er: „Knappe!“ „Ja, Euer Gnaden?“, kam die sofortige Antwort des Jünglings. „Du wirst meinen letzten Befehl ausführen“, sprach der König. „Ja, Euer Gnaden.“ Dieses Mal brauchte der Knappe Jerome etwas länger mit seiner Antwort. Dann fragte er: „Soll ich Eurer Hohen Königin eine Botschaft übermitteln?“

Phillippe zog die Riemen seines Schildes fest und blickte über das weite Schlachtfeld. Eine zeitlang blieb es still. Nur der ferne Kampflärm war zu hören. Dann sprach der König, ohne Jerome anzusehen: „Schwöre er mir, dass er sie sicher nach Er’Scherim bringen wird.“ Jerome schluckte. „Ja, Euer Gnaden. Ich schwöre es.“ Phillippe nickte. Dann ließ er die Standarte seiner Leibgarde heben. Erneut bebte der Boden, als die Veteranen auf ihren prächtigen Rössern hinter ihrem König Aufstellung nahmen. Die Hörner erschallten laut über die Täler, als sich der Tross langsam aber immer schneller in Bewegung setzte, und mit König Phillippe Leandaros VII. an ihrer Spitze direkt auf das Zentrum des Schlachtfeldes zuritt. Nur General Bertrand blickte noch einmal zurück zu Jerome, dann stand der Knappe alleine auf der Anhöhe. Es war das letzte Mal, dass er seinen Ritter und König sehen sollte.

Doch es gab einen letzten Dienst, dem er seinen Herrn erweisen konnte. Er ritt auf seinem Braunen eilig zurück nach Phillipsburg, benannt nach König Phillippe dem Ersten, durch die Stadt hoch zur Burg, und machte erst Halt, als er vor seiner Königin kniete. Diese war schockiert von dem, was der Knappe zu berichten hatte, doch hieß sie umgehend Ihre Zofen an, das nötigste Gepäck auf einen alten Fuhrwagen zu packen. Da marodierende Barbarentruppen durch das Land zogen, und überall Spione lauern konnten, war es wichtig, dass sie unauffällig reisten. Jerome entledigte sich aller Kleidung, die auf seine Herkunft schließen lassen würde. Nur das Banner, das er stets für seinen König hoch gehalten hatte, packte er zuunterst in seinen Rucksack. Und so zogen Jerome und die Königin, den gerade mal drei Monate alten Baptiste im Arm, in zerlumpten Leinenkleidern gewandet auf einem alten Wagen durch das Burgtor hinaus in eine ungewisse Zukunft.

Ihr Weg führte durch lang gezogene Hügel und über seichte Bäche, die großen Straßen vermeidend auf holprigen Pfaden. Unterwegs begegneten sie immer mehr Menschen, die vor den Barbaren flohen und nur ihre wichtigste Habe auf dem Rücken trugen. Am Abend des achten Tages erreichten sie Halverstein, die letzte Stadt am Rande des Gebirges vor der Großen Wüste. Dort kehrten sie in ein altes, schäbiges Gasthaus ein, um zu übernachten und sich von den Strapazen der Reise zu erholen. Am nächsten Morgen suchte Jerome die umliegenden Kneipen auf, um eine Karawane zu finden, mit der sie nach Er`Scherim reisen konnten. Gegen Nachmittag hatte er schließlich eine Reisegruppe gefunden, die sie für ein paar Goldstücke mitnehmen würde. Und so zogen sie schließlich am nächsten Morgen auf hoch gewachsenen Kamelen in einer viele hundert Meter langen Karawane nach Süden durch das Große Wüstenmeer, das sich von Halverstein bis zum Herzen der Großen Wüste, der Goldenen Stadt Er’Scherim, dem Sitz des Scheichs Hamid Ahamada, erstreckte.

Auch wenn sie genug Wasser dabei hatten, so litten sie doch unter der großen Hitze, die sie vor allem am Mittag, wenn sie in Zelten schliefen, zu erdrücken schien. Besonders der kleine Baptiste schrie immer wieder in den Armen seiner Mutter. Da die junge Königin, die noch nie in ihrem Leben solche Strapazen durchgemacht hatte, sehr an Kraft verloren hatte und ihrem Sohn kaum noch Milch geben konnte, waren die Lippen des Babys bald spröde und das Gesicht rot von der Sonne, vor der die Mutter ihren Sohn nur halbwegs schützen konnte. Jerome konnte sich schließlich selbst nicht mehr erklären, wie der junge Prinz noch leben konnte. Einzig der Wille zu leben, der alle Menschen zu verbinden und in seiner Familie besonders stark zu sein schien, hielt Baptiste am Leben. Und so grenzte es an ein Wunder, dass die königliche Familie gegen Ende der sechsten Woche ihrer beschwerlichen Reise durch die Wüste ausgezehrt aber lebend in Er’Scherim ankam.

Von ihren letzten Silbergroschen mietete Jerome ein Zimmer für seine Hohe Königin, während er selbst mit anderen Niederen im Schatten eines der vielen hohen Minarette, die sich strahlend weiß glänzend über die Wüste erhoben, schlief. Am nächsten Morgen machten sie sich zur Burg des Scheichs auf. Doch wurden sie dort am Tor von den Wachen ob ihres verwahrlosten Äußeren abgewiesen. So irrten sie in den darauf folgenden Tagen ziellos durch die Straßen, ständig in Angst vor Räubern und Gaunern und immer hungrig, bis sie schließlich von einem Pferdeherren aufgenommen wurden, der ihnen gegen Arbeit Brot und eine Bettstatt anbot. Yvonne musste in der Küche aushelfen, während Jerome Tag für Tag in den Ställen, in denen die edlen Rösser des stolzen Reitervolkes standen, ausmistete und Wasser aus dem Brunnen herantrug. Es war harte Arbeit, doch hatten sie zumindest seit vielen Tagen das erste Mal wieder ein Dach über dem Kopf. Die Monate verstrichen, und schließlich gewöhnten sie sich an das raue aber genügsame Leben auf dem Hof. Der junge Baptiste wuchs rasch heran und so dauerte es nicht lange, bis er seine ersten Schritte zwischen den Pferdeboxen und Lehmhütten tat. In dieser Zeit kamen sich auch Jerome und Yvonne, die beinahe gleich alt waren, da König Phillippe eine junge Tochter des Hauses der Tarider geheiratet hatte, näher. Seit ihrer Ankunft in Er’Scherim waren sie übereingekommen, dass sie nach außen hin als Flüchtlingsfamilie gelten sollten, und so war Jerome bald für den kleinen Baptiste der Vater, den der junge Prinz nie hätte haben sollen. Gemeinsam schworen sie, dass Baptiste niemals von seiner wahren Vergangenheit erfahren durfte.

Die Jahre zogen vorüber, und bald wurde aus dem Kleinkind ein stattlicher Sohn, der langes goldblondes Haar trug und durch die harte Arbeit, die auch er in den Ställen leisten musste, von kräftiger Statur war. Die Pferdeherren bemerkten bald, dass er im Umgang mit den Pferden, die er von klein auf gewöhnt war, nicht ungeschickt war, und auf die hohen Tiere eine geradezu magische Ausstrahlung zu üben schien. Selbst die wildesten Hengste ließen sich vom jungen Knechten beruhigen. Und so durfte der junge Baptiste bald mit den Freien, wie sich die in Er’Scherim Geborenen nannten, hinaus in die Steppen, die sich vor der Oase, in der die Goldene Stadt stand, öffnete. Dort lebte er mit den Pferden, die er von einem Wasserbrunnen zum nächsten führte. Er war bei jeder Geburt eines Fohlens dabei und ritt jedes Pferd einer jeden Herde, mit der er zog. Als er zwölf war, konnte er ohne jeden Sattel oder Zaumzeug im wildesten Galopp durch die Wüste reiten. Sein Lieblingspferd war ein Brauner, ein junger Hengst, den er seit der Geburt des Tieres kannte und der von allen Hengsten der wildeste war. Da niemand das Pferd, dass Baptiste Darosch getauft hatte, reiten konnte, durfte es Baptiste behalten, bis sich einmal ein Käufer für das stolze aber wilde Tier gefunden haben sollte.

Auf ihrem Weg durch die Steppen und Wüsten kamen die Pferdeherren und ihre Knechte durch viele kleine Zeltdörfer, in denen sich nachts Händler, Hirten und Bauern aus vielen Ländern am Feuer versammelten. Dort spielten und tanzten sie ausgelassen zur Musik und tranken Wein, bis sie der Schlaf oder die Übelkeit überkam. An manchen Abenden wurden mit Fackeln breite Gassen in den Sand gezeichnet, entlang derer sich die wahren Abenteuer der Steppe abspielten: die Pferderennen. Auch Baptiste fand bald Gefallen an diesen Rennen, und sobald er seine eigenen Silbergroschen verdient hatte, nahm auch er an den Rennen teil. Dort ging er, obwohl er sich immer noch keinen Sattel für Darosch hatte leisten können, schon mit vierzehn Jahren als Sieger aus seinem ersten Rennen hervor. Auch die nächsten Rennen gewann er, und so wurden die Wetten auf ihn und die Prämien, die er mit jedem Sieg verdiente, immer größer.

So kam es, dass ein junger Mann, der dem Äußeren nach von edler Herkunft sein musste, eines Abends auf Baptiste zukam, und ihm um Reitunterricht bat. Baptiste erkannte ihn: es war einer jener Reiter, an denen er heute Abend im Rennen mühelos vorüber gezogen war. Der junge Edle ritt nicht schlecht, doch reagierte er zu wenig auf die Zeichen seines Pferdes. Da Baptiste ihn auf Anhieb mochte, willigte er ein, führte aber an, dass er die Zustimmung seines Herrn brauchte. So zogen die beiden vor Kha’Drag, dem reichen Pferdeherren, dem Baptiste und seine Familie ihre Dienste geschworen hatten. Kha’Drag wollte sich nur ungern von seinem begabtesten Knecht und Reiter trennen, doch als der Edle seine Herkunft als Prinzen des Reichen enthüllte, willigte er schließlich gegen eine entsprechend hohe Summe in Gold ein. Im Gegenzug kaufte der Prinz den wilden Hengst Darosch, den er Baptiste zu seinem Erstaunen schenkte.

Von nun an lebte Baptiste am Hofe des Scheichs und unterrichtete Servado, den Prinzen Chalids. Gemeinsam ritten sie von der Leibgarde begleitet durch die Steppe und zogen von Oase zu Oase. Dort brachte Baptiste Servado alles bei, was er über die Steppe und die Pferde, die in ihr lebten, wusste. An anderen Tagen waren sie bei Hofe, wo Baptiste bald ob seines freundlichen und höflichen Auftretens, das er wohl von seiner Mutter gelernt hatte, bekannt und geschätzt wurde. Die Sprache des Wüstenreiches Chalid hatte er von Kindesbeinen an gelernt, so dass er von allen seit Jahren nur noch „Er’Ghawein“ – der Steppenwolf – genannt wurde.

Am Hofe bekam Baptiste auch etwas von der Politik mit. Er hörte, dass die Lage in den Ländern des Nordens, besonders im Land Farakis, schlecht stand. Die Barbaren beuteten die Völker, die sie unterworfen hatten, erbarmungslos aus. Die Niederen wurden gepeinigt und in die Sklaverei getrieben, während die Edlen bereits tot waren oder das Land verlassen hatten.

Auf einer besonders langen Reise, auf der der Steppenwolf seinen Prinzen begleitete, erreichten sie die einstmals stolze Stadt Halverstein. Dort bot sich ihnen ein schlimmer Anblick: die Straßen waren verwüstet, die Bewohner verängstigt und ausgehungert, kaum ein Mensch begegnete ihnen auf den dunklen Gassen. Die diplomatische Mission, zu der sie gekommen hatten, endete in einen langen Streit mit den Besatzern bei Hofe des Schlosses Halverstein, der fast zu einem Kampf geführt hatte. Es war die letzte Begegnung der beiden Reiche, denn von nun an herrschte zwischen dem von den Barbaren beherrschten Land Farakis und dem Reich des Südens eisiges Schweigen.

Eines Abends waren Servado und Baptiste gerade auf einer Feier am Hofe zugegen, bei der Wasserpfeife geraucht und viel getrunken wurde, als Baptiste die Nachricht erreichte, dass es um die Gesundheit seiner Mutter schlecht stünde, und er umgehend zu ihr kommen solle. Baptiste eilte sofort auf seinem Hengst Darosch zum Gestüt des Kha’Drag, wo ihn Jerome bereits erwartete. Gemeinsam gingen sie in die kleine Lehmhütte, die vor vielen Jahren das Zuhause der königlichen Familie geworden war. Yvonne lag dort leichenblass und verschwitzt im Bett. Ihre Stirn war heiß und ihr Atem unruhig. Als sie Baptiste bemerkte, lächelte sie. „Baptiste, du bist gekommen.“ Baptiste kniete vor ihr nieder. „Mutter!“ Als er sah, dass ihre Augen unruhig durch das Zimmer wanderten, wurde er von Angst erfüllt. Er hielt ihre Hand, und fragte, was mit ihr sei. Sie antwortete: „Mein guter Junge. Es wird Zeit für mich, euch zu verlassen. Diese Wüste war nie unsere Heimat. Aber die unsere wurde uns genommen. Wir hätten es verhindern können, aber wir haben versagt. Und so ist der Schmerz unseres Volkes unsere Bürde. Es tut mir so leid, mein Junge.“ Dann weinten beide eine zeitlang. Schließlich schloss Yvonne die Augen. Während sie schwer weiteratmete, sprach sie: „Diese Wüste hat dir noch nie etwas anhaben können. Schon als kleiner Junge warst du stärker als wir alle zusammen. Ich hoffe, dass du dein Glück finden wirst. Du bist ein Kind Farakis’. Bewahre das immer in deinem Herzen.“ Dann schlief sie ein.

Baptiste fand Jerome draußen vor der Hütte. Der Pferdeknecht trug einen Vollbart, sein Rücken war gebeugt von der schweren Arbeit. Eine Weile standen sie schweigend zusammen, bis Baptiste sich überwand, Jerome zu fragen: „Mutter sagte, dass wir uns Schuld aufgeladen haben, unserem Volk gegenüber. Was meinte sie damit“ „Baptiste“, sagte Jerome, „du weißt, dass wir als Flüchtlinge hierher gekommen sind, weil unsere Heimat zerstört wurde. Doch das war nicht die ganze Wahrheit.“ Dann erzählte er Baptiste die Geschichte ihrer Herkunft.

Es dauerte eine Weile, bis Baptiste die Worte wieder gefunden hatte. Schließlich sprach er gefasst: „Dann bist du nicht mein Vater?“ Jerome schüttelte den Kopf. „Du wurdest als Sohn eines Königs geboren.“ Baptiste nickte. Schließlich sagte Jerome mit zitternden Worten: „Wir konnten es dir nicht erzählen. Wir haben uns für unsere Schuld geschämt. An uns lag es, unser Volk zu retten. Wir haben versagt.“ Doch Baptiste konnte sich damit nicht abfinden. „Unser Volk leidet immer noch. Ich habe es selbst gesehen. Wir müssen zurück in den Norden und die Barbaren aus unserem Land vertreiben.“

Zwei Tage später starb Yvonne, Königin von Farakis. Nach dem Begräbnis sattelte Baptiste Darosch, verabschiedete sich von Jerome und ritt zurück zum Palast, wo er Servado aufsuchte. Ihm vertraute er das Geheimnis um seine Vergangenheit an. Der Prinz hörte ihm ruhig zu, bis Baptiste geendet hatte, dann seufzte er: „Das Schicksal Eurer Familie und Eures Volkes dauert mich, mein Freund. Ich wünschte ich könnte Euch helfen. Doch wüsste ich nicht, wie.“ „Zieht mit mir gegen den Norden“, antwortete Baptiste, „gemeinsam werden wir die Barbaren vertreiben und das Leiden unseres Volkes beenden.“ Servado lächelte. „Ihr seid kühn, und fürwahr ein Er’Ghawein. Doch fürchte ich, dass die freien Krieger Euch nicht folgen werden. Ihr seid keiner von ihnen.“ „Euch werden Sie folgen. Auf Geheiß des Scheichs.“ Servado betrachtete den König ohne Land eine Weile, dann nickte er. „Ich werde meinen Vater um eine Audienz erbitten.“

Am nächsten Morgen kniete Baptiste, ohne Gefolgsleute oder Insignien seiner Herrschaft, abgesehen von dem Banner, das er von Jerome zum Abschied erhalten hatte, vor dem Scheich. Neben dem Thron standen Servado und Hajinh, der Großwesir. Etwas weiter abseits hielten sich einige Edelleute und Höflinge. Baptiste hatte eine kurze Rede gehalten, die er sich am Abend vorher gründlich überlegt hatte, in der er als letzter Überlebender des Hauses der Leandaros den Scheich im Namen seines Volkes um den Waffenbeistand Chalids bat. Der Scheich hatte ruhig zugehört und schien noch nicht gewillt zu sein, zu antworten, und so war es Hajinh, der als erster sprach: „Ihr seid mutig, doch woher wissen wir, dass Ihr wahr sprecht? Die Familie der Leandaros wurde ausgelöscht, als die Barbaren nach der Schlacht im Morgental in Phillipsburg einfielen und die Festung in Brand setzten. Keiner der Burgbewohner überlebte.“ „So sagt man“, antwortete Baptiste, „doch konnten wir vorher entkommen.“ Servado merkte an: „Die Barbaren konnten nie einen Beweis für den Tod des Erben von Farakis erbringen. Er ist ein Leandaros, seht Ihr es nicht?“ „In der Tat“, sprach nun endlich der Scheich, „ich erkenne in seinen Augen denselben Ehrgeiz wie den seines Vaters wieder. Er sieht ihm wirklich sehr ähnlich.“ Zu Baptiste gewandt sagte er: „Ich kannte deinen Vater. Er war ein kluger und umsichtiger Herrscher, aber er unterschätzte die Gefahren, die im Norden lauerten. Die Barbaren verhandeln nicht – sie nehmen sich, was sie sich holen können. Nur durch Stärke kann man den Barbarenhorden begegnen.“ Der Scheich warf einen Seitenblick auf seinen Hofstab, während er weiter fortfuhr: „Nicht wenige von meinen Beratern wünschen einen Krieg gegen die Barbaren. Ich wollte ein weiteres Blutvergießen unter Eurem Volke vermeiden, doch alle Verhandlungen mit den Barbarenhäuptlingen scheiterten.“ Damit sah er rüber zu Servado, der bei der letzten diplomatischen Mission beinahe zum Schwert hatte greifen müssen. Dieser nickte seinem Vater zu. Scheich Ahamada nickte zurück und besann sich einige Momente. Dann sah er dem Steppenwolf scharf in die Augen: „König Baptiste Leandaros, wollt ihr ein Bündnis mit dem Reich Chalid und seinen gleichgesinnten Stämmen aufnehmen, auf dass wir Seite an Seite gegen unsere Feinde kämpfen?“ Baptiste war für einen Augenblick geschockt, dann erwiderte er mit festem Blick: „Ja, im Namen meines Volkes!“ Der Scheich stand auf, und schritt den Saal hinunter zu Baptiste, den er gebot, sich zu erheben. „So sind die Reiche Chalid und Farakis nun für immer vereint. Gemeinsam werden wir unseren Völkern neue Stärke verleihen.“ Damit umarmte er den überraschten Baptiste, der zögernd die Umarmung erwiderte. Jubel machte sich in der Halle breit. Der Hofstaat stand auf, um den Königen zu applaudieren. Dann hob der Scheich die Hände, auf dass wieder Stille einkehrte. „Freie Chalider. Heute Nacht werden wir feiern. Doch beim nächsten Vollmond werden wir nach Norden ziehen, um das Volk Farakis zu befreien!“ Erneut erschall Jubel auf allen Rängen und Plätzen des Saales. Es sollte noch eine lange Nacht werden… Drei Wochen später zog eine endlose Karawane an Reitern zu Pferde nach Norden. Sie ritten auf jenen Pferden, die auch Baptiste in Jugendtagen gehütet hatte: kräftige, ausdauernde Tiere, die eine enge Bindung mit ihrem Reiter eingingen. Von ihren Feinden wurden sie aufgrund der Schnelligkeit, mit der sie angriffen, die Wüstenschlangen genannt. Baptiste ritt seinen Braunen Darosch, Servado auf einem stämmigen Roten. Während ihrer Reise durch die Wüste stießen immer mehr Reiter aus den umliegenden Stämmen zu ihnen hinzu, bis sich schließlich der ganze Tross fast einen halben Tagesmarsch ausdehnte. Unterwegs fragte Servado: „Unsere Krieger sind zahlreich, doch wie sollen wir die Mauern von Halverstein überwinden?“ Baptiste lächelte dem Prinzen zu: „Seid unbesorgt, die Mauern werden kein Problem sein.“ Dabei beließen sie es.

Als sie eines Morgens schließlich die Stadtmauern von Halverstein erreichten, hieß König Baptiste die Reiter, anzuhalten. Dann zog Baptiste das Banner aus seiner Satteltasche und schnürte die Bänder des Wappens der drei Lilien an seiner Lanze fest. Das Banner hoch in den Wind haltend, ritt der letzte der Leandaros alleine auf das Stadttor zu. Ein Stammesführer raunte dem Prinzen zu: „Will er die Stadt etwa alleine einnehmen?“ „Wir sollen ihm erst in einiger Entfernung folgen“, antwortete Servado. Dann hieß er das Reitervolk, das sich über das umliegende Dünenmeer erstreckte, ihm zu folgen. Im leichten Trab war Baptiste bereits fast am Stadttor angelangt. Sein Banner flatterte wild im Wind. Servado rechnete jeden Augenblick damit, dass sein Freund von einem Pfeilhagel niedergemäht würde, als sich mit einem Ruck das riesige Stadttor öffnete. Servado hob den Arm und ließ sein Pferd das Tempo beschleunigen. Er konnte das Wunder immer noch nicht glauben, als er mit den ersten Reitern durch das offene Stadttor preschte.

Im Innenhof sah er schwarz bekleidete Leichname liegen, die wohl die Torwachen gewesen sein mussten. Sie ritten weiter und gelangten in die Stadt, in der ein heftiger Kampf zwischen den Bewohnern und ihren Besatzern entbrannt war. Baptiste stieß soeben seine Lanze in einen Barbaren, der ihm von Pferd reißen wollte. Sofort gab der Prinz den Befehl, sich zu verteilen. Voller Kampflust stürzten sich die Wüstenschlangen auf die überrumpelten Barbaren. Gemeinsam kämpften sich Baptiste und die Reiter Chalids durch die Stadt, bis sie Schloss Halverstein erreichten. Dort trafen sie auf Jerome, der neben einem alten Mann stand und sich vor den Befreiern verbeugte. „Mein König“, rief Jerome unaufgefordert, „Euer Volk steht Euch bei. Das Schloss ist bereits zurückerobert und steht Euch zur Verfügung.“ Dann zeigte er auf den alten Herrn neben ihn: „Das ist Gustave, der ehemalige Statthalter von Halverstein. Er half mir bei der Revolte.“ „Das Banner“, rief Servado in die Runde, „es war Euer Zeichen, nicht war?“ Baptiste nickte fröhlich. Dann fragte der König Gustave: „Statthalter! Man sagt, die Fertigkeiten der Rüstungsschmiede von Halverstein sei unübertroffen. Ist dem so?“ „Ihr sprecht wahr“, antwortete freundlich der Ehrwürdige, der sich soeben wieder in seinem Amt eingesetzt fand. „Wir schmieden die besten und stärksten Rüstungen für Ross und Reiter.“ „So werde ich die Kunst aller Schmiede der Stadt in Anspruch nehmen müssen“, fuhr Baptiste fort, „wir brauchen Rüstungen für diese edlen Reiter und ihre Pferde. Wenn wir den Barbaren auf dem Schlachtfeld begegnen, müssen wir unaufhaltsam sein. Ich will schon bald wieder die drei Lilien unter meinem Banner vereint wissen.“ Damit meinte er die beiden übrigen großen Städte Schierenstein und Phillippsburg, die immer noch von den Barbaren gehalten wurden.

So begannen die Schmieden der Stadt, Tag und Nacht ihre Feuer zu schüren, um Rüstungen aus undurchdringlichem Stahl für die bisher auf Schnelligkeit ausgelegten Reiter und ihre Pferde anzufertigen. Durch ihren Überraschungsangriff hatten sie Zeit gewonnen, bis sich die Barbaren zu einem Angriff sammeln konnten, und diese wusste der König zu seinem Vorteil zu nutzen.

So kam es, dass nach drei Wochen Späher große Formationen meldeten, die sich auf Halverstein zu bewegten. Baptiste und der Prinz hießen ihre Reiter, sich zu sammeln, und nur kurze Zeit später zogen sie auf ihren schwer gepanzerten Pferden durch die Stadt, um ihren Feinden auf dem Felde zu begegnen. Auf dem Weg durch die Stadt standen riesige Menschenmengen auf den Straßen und Plätzen, die ihnen den Weg freigaben und zujubelten. Kinder rannten fröhlich neben den Pferden her, während Frauen den Reitern Blumen zuwarfen. Baptiste bemerkte, dass viele Männer bewaffnet waren und Anstalten machten, dem Tross zu folgen. So fragte er Servado: „Sollen wir die Männer mitziehen lassen?“ Der Prinz erwiderte mit einem Lächeln: „So Ihr es denn nicht zu verhindern wisst. Vergesst nicht, Ihr seid mit Eurem Volk verbunden. Die Hoffnung auf die Rückkehr der Leandaros hat sie am Leben gehalten. Sie werden das Schicksal mit Euch teilen, wohin es Euch auch führen möge.“ In diesem Moment rief ein Bauer: „Lang lebe König Baptiste Leandaros, Sohn des Phillippe!“, und der Ruf hallte aus tausend weiteren Kehlen wider. Immer wieder riefen sie „Leandaros, König Leandaros“, während die Reiter durch das Stadttor zogen.

Am Nachmittag stand Baptiste auf einer Anhöhe und beobachtete die Barbarenhorden, die sich vom Westen, vom Norden und vom Osten dem Hügel vor der Stadt langsam aber unaufhaltsam näherten. Der König zählte 50.000 Speere, 300.000 Schwerter, drei Bataillone Bogenschützen, mehrere Tausend leichte Kavallerie und hunderte schwerer Belagerungsmaschinen. Die vierfache Zahl gegenüber ihrer eigenen Armee. Er konnte nur erahnen, wie sich sein Vater damals angesichts dieser Übermacht gefühlt haben musste. Er blickte sich um und sah in die verbissenen Gesichter der verbündeten Reiter und der Krieger aus Halverstein, die hinter den Linien, die sich von einem Ende des Hügels zum anderen in vierzehn Reihen erstreckten, standen und sich mit Schlachtrufen Mut verliehen. Trommeln wurden geschlagen, Hörner geblasen. Baptiste blickte zum fernen Horizont, an dem sich langsam die Sonne senkte. Es würde eine blutrote Nacht werden. Baptiste sah zu Servado hinüber, der soeben seinen Helm von einem Knappen entgegennahm. „Ihre Formationen sind dicht und ihre Lanzen lang. Doch an den Flanken sind sie schwach. Wir werden sie in die Zange nehmen.“ „Dann nehme ich die linke Flanke“, antwortete sein Freund. „Euer Gnaden, mit Eurer Erlaubnis werden wir die rechte Seite stürmen“, erbot sich ein Stammesführer Chalids. Baptiste nickte. „Dann werde ich mit den Reitern und Kriegern meines Volkes frontal angreifen.“ „Beschäftigt sie nur lange genug, bis wir sie umrundet haben“, fuhr Servado fort, „dann werden sie ihre Schilde hinwerfen, um sich vor uns zurückzuziehen, und die Wüstenschlangen werden den Rest übernehmen. Ein letztes Mal sahen sich die verbündeten Könige, Fürsten und Offiziere, die in den letzten Wochen so viel zusammen durchgemacht hatten, an, dann ritten sie zu ihren Bataillonen.

Baptiste sah, wie die Reiter in drei Gruppen Aufstellung genommen hatten. Noch immer bewunderte er die Disziplin und Unerschrockenheit der Wüstenschlangen. Mit den schweren Rüstungen ausgestattet würden sie die feindlichen Reihen niedertrampeln. Baptiste war selbst nur eine kleine Schar Reiter aus Halverstein geblieben, doch dahinter standen zehntausende einfacher Soldaten, mit Schwertern, Äxten, Speeren und Bögen bewaffnet, ein unsortierter aber vor Kriegslust brodelnder Haufen. Baptiste wandte sich an seinen Adjutanten: „Lasst die Reiter durch die feindlichen Reihen brechen. Egal was passiert, sie sollen nicht anhalten. Wenn wir ihre Formation aufreiben, haben die Männer hinter uns eine Chance.“ „Wir werden jedes Opfer bringen, das nötig ist“, antwortete der Offizier. Baptiste bemerkte, dass Darosch unruhig wurde und streichelte den Hals seines treuen Freundes. „Ruhig, Brauner“, sprach er vornüber gebeugt seinem Tier Mut zu, dann hob er sein Banner und rief: „Für Farakis!“ „Für Farakis!“ erschallte es aus abertausenden Kehlen, dann setzte sich die Formation aus Reitern und Soldaten, mit dem König an der Spitze, langsam, dann immer schneller in Bewegung. Aus den Augenwinkeln sah Baptiste, wie die Reiter aus dem Süden westlich und östlich von ihm lospreschten, doch er konzentrierte sich nur noch auf die Schildformation, die die Barbaren vor ihnen aufgebaut hatten. Pfeile zischten durch die Luft und streckten einen Reiter nach dem anderen hinter ihm zu Boden, doch wie durch ein Wunder wurde Baptiste nicht getroffen. Baptiste senkte seine Lanze, an der die Fahne der drei Lilien flatterte, und zielte direkt auf die Speerträger vor ihm. Die Reiter hinter ihm hatten eine Keilformation eingenommen, die jedem Soldaten, der diese Gruppe auf sich zureiten sah, verzagen lassen musste. So kam Bewegung in die Menge der Speerträger, die einer nach dem anderen das Weite suchten. Baptiste hielt seine Lanze eng an seinen Körper, dann krachten die Reiter durch den feindlichen Wall. Lanzen und Knochen brachen, Menschen schrieen vor Schmerz auf, als sich die schwer gepanzerten Reiter unerbittlich ihren Weg durch die Reihen der Barbaren bahnten. Darosch und die übrigen Pferde hinter ihm rissen einen jeden Soldaten nieder und ließen den Boden unter sich erbeben. Dann waren sie durch und stürmten auf die völlig überraschten feindlichen Offiziere zu. Baptiste hielt seine Lanze erneut hoch und riss einen Barbarenführer von seinem Pferd. Dann stemmte er mit aller Kraft sein Banner in den Boden und zog sein Schwert. Während an der vorderen Linie inzwischen die Soldaten aus Halverstein durch die Bresche rannten, bekämpften die Reiter die hinteren Reihen. Die auf einmal eingekesselten Barbaren gerieten in Panik und riefen sich Befehle in einer fremden Sprache zu, die entweder im Kampflärm untergingen oder schon im nächsten Moment verworfen wurden. Aus der Ferne sah Baptiste, wie die Wüstenschlangen die feindlichen Flanken umrundet hatten, und nun die fliehenden Truppen nieder ritten. Dann war Baptiste wieder von Barbaren umzingelt und Teil des Gemetzels, das bis in die Nacht hinein dauern sollte.

Der Morgen graute bereits, als Baptiste vollkommen erschöpft auf seinem Pferd den Prinzen zwischen den Soldaten bemerkte, die auf der Suche nach überlebenden Feinden durch das Tal nahe des Flusses zogen. „Der Sieg ist unser“, rief Servado. Baptiste nickte müde. Er hatte bemerkt, dass Darosch nur noch langsam trottete und entschied sich, abzusteigen. Als er begann, die Riemen von den schweren Panzerstücken zu lösen, mit denen der Leib des Tieres geschützt wurde, erblickte er erst die vielen Wunden, die zwischen den Panzerteilen an Hals und Brust des Braunen aufklafften. Darosch musste Unvorstellbares durchgemacht haben. Baptiste sah, wie das Tier anfing zu zittern. Er schaute in die großen, runden Augen seines tapferen Freundes. „Ruhig, Darosch“, redete er beruhigend auf das Pferd ein. Das Tier leckte ihm mit der Zunge über das Gesicht, konnte sich aber kaum noch auf den Beinen halten. „Du musst durstig sein“, sprach Baptiste. Vorsichtig führte er sein Pferd, das er von Geburt an kannte, zum Fluss. Dort trank der Braune in großen Zügen. Ermattet legte er sich danach auf die Seite. Baptiste wurde klar, dass Darosch starb und setzte sich neben ihn. Tränen standen ihm in den Augen, als er sich von seinem Tier, das langsam die Augen schloss, verabschiedete. Eine Weile saß er noch neben seinem Gefährten und bewunderte die ersten warmen Sonnenstrahlen, die zwischen den Bäumen hindurch glitzerten und auf dem Flussbett tanzende Lichter in allen Farben zauberten. Langsam wichen die Schatten der Nacht. Die ersten Libellen huschten über das Wasser, während der Wald um Baptiste zum Leben erwachte. Der junge König spürte, dass ein neues Zeitalter begonnen hatte.

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